Thanatopraxie

Der Begriff Thanatologie bezeichnet die Wissenschaft, die sich mit dem Sterben, dem Tod und der Bestattung auseinandersetzt. Er leitet sich ab vom griechischen Wort für Tod, thanathos. Thanatologie hat es sich zum Ziel gesetzt, das Tabuthema Tod stärker in die Gesellschaft einzubringen und dafür eine Diskussionsgrundlage zu schaffen. Als Wissenschaft hat sie vor allem eine psychologische und soziologische Ausrichtung des Todes auf Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen von Menschen. Unter praktischer Thanatologie versteht man vor allem die hygienische Versorgung von Verstorbenen.

Praktische Thanatologie

Die Thanatologie hat einen auf die Praxis ausgerichteten Zweig, die sogenannte Thanatopraxie. Diese behandelt die hygienische und ästhetische Versorgung eines Verstorbenen. Dazu zählt zum Beispiel die Behandlung von Verletzungen, die bei einem Unfall entstanden sind. Auch wenn der Verstorbene durch eine schwere Krankheit gezeichnet ist, kann durch eine entsprechende Behandlung eine Aufbahrung bzw. Verabschiedung am offenen Sarg ermöglicht werden. Diese soll den Angehörigen dabei helfen, sich angemessen von dem Verstorbenen verabschieden und bewusst mit dem Verlust umgehen zu können. Dieser Schritt hilft – nach Erkenntnissen der Thanatologie – maßgeblich bei der Trauerbewältigung.

Aufgaben von Thanatopraktikern

Thanatopraktiker sind entweder reine Spezialisten oder Bestatter, die eine zusätzliche Ausbildung absolviert haben. Viele von ihnen sind im „Verband Dienstleistender Thanatologen e.V.“ organisiert. Neben der hygienischen Versorgung ist das sogenannte Modern Embalming eine weitere Aufgabe von Thanatopraktikern. Dabei handelt es sich um eine moderne Art der Einbalsamierung, die verwendet wird, um die Verwesung zu verzögern. Dies kann unter anderem für Überführungen ins Ausland relevant sein. Die Einbalsamierung wird durch die Injektion einer konservierenden Flüssigkeit erreicht. Auch Totenmasken und Fingerprints sind Dienstleistungen, die von entsprechend geschulten Bestattern angeboten werden. Diesen Dienst bieten wir auch anderen Bestattern an, die unsere Hilfe schon oft in Anspruch genommen haben.

Geschichte der Thanatopraxie

Allgemein wird angenommen, dass zumindest die Ägypter, eventuell auch andere Völker, Formen der Einbalsamierung schon im Jahre 6000 vor Christus kannten. Aus dieser Zeit stammen viele der bislang entdeckten Mumien. Gründe für die Einbalsamierung im alten Ägypten waren religiöser Natur und dienten auch der öffentlichen Gesundheit. Es wurden drei Arten von Einbalsamierungen vorgenommen:

Königliche Einbalsamierung

Diese Methode wurde bei sehr wohlhabenden, einflussreichen Menschen angewandt. Die inneren Organe wurden aus den Körperhöhlen entfernt und in verschiedene Gefäße gegeben. Der Körper wurde dann getrocknet und mit Kräutern, Gewürzen und Bitumen gefüllt und wieder verschlossen. Danach wurde der Verstorbene 40 Tage in Natronlösung gelegt, anschließend in Leinen gewickelt, mit verschiedenen Essenzen behandelt und in einer feierlichen Zeremonie beigesetzt. Bestes Beispiel dafür ist der Pharao „Tutanchamun“.

Die Einbalsamierung in der altägyptischen Mittelschicht

Über einen Einschnitt an der rechten Seite des Körpers wurden zersetzende Chemikalien eingefüllt, um die inneren Organe aufzulösen. Anschließend wurde der Körper in Natronlauge getaucht, getrocknet und mit Harzen gefüllt. Der Einschnitt wurde verschlossen und der Familie zurückgegeben (mit oder ohne Mumifizierung).

Einbalsamierung der Landbevölkerung (über 80%)

Der Körper wurde in Natron, manches Mal auch in Bitumen, getaucht und anschließend mumifiziert.

Gründe der modernen Einbalsamierung

Die moderne Einbalsamierung wird nicht aus religiösen Gründen vorgenommen und nur selten werden sich noch Gründe für eine dauerhafte Konservierung finden lassen. Was möchten wir mit der modernen Einbalsamierung erreichen?

  • Eine dem Leben ähnliche äußere Erscheinung wiederherstellen, um den Angehörigen eine Abschiednahme am offenen Sarg zu ermöglichen,
  • Den Zerfallsprozess aufhalten.
  • Die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit verhindern und eine Überführung ermöglichen.

Die moderne Einbalsamierung beruht auf drei wissenschaftlichen Grundlagen:

  • der Mikrobiologie (Thesen und Lehren von Fracastora, Pasteur, Lister, Semmelweiß);
  • der Anatomie (Buch von William Harvey, in dem er beschreibt, dass der ganze Körper von blutleitenden Gefäßen durchzogen ist und dass das Blut durch die Tätigkeit des Herzens im Körper zirkuliert;
  • der Chemie (Wilhelm von Hoffmann, der als erster das Gas „Formaldehyd“ herstellte).

Die Entwicklungsgeschichte der modernen Einbalsamierung

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse standen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Verfügung. Die moderne Einbalsamierung, wie wir sie heute kennen, begann während des amerikanischen Bürgerkriegs, als man damit begann, das Blut durch eine formaldehydhaltige Lösung zu ersetzen, um die Körper gefallener Soldaten so lange zu konservieren, bis sie zur Beisetzung in ihre Heimatorte zurückgesandt werden konnten.

Rechtliche Grundlagen in Österreich

Österreich war einer der ersten Staaten in Europa, der das Modern Embalming auf rechtlich einwandfreie Grundlagen gestellt hat. Das Bundesgesetzblatt II Nr. 218/2006 regelt die Rechte und Pflichten eines Thanatopraktikers.

Persönliche Anmerkung:

Eine thanatopraktische Behandlung stellt einen Eingriff in den Körper dar, der IMMER in Absprache mit den Angehörigen vorgenommen wird. Mein Ziel ist es, der Familie einen würdevollen Abschied zu ermöglichen und ihnen in dieser schweren Zeit zur Seite zu stehen.

Markus Floßmann
Bestatter
Mitglied im Verband der Österreichischen Thanatopraktiker
Mitglied im VDT